Der legendäre Pilgerweg nach Compostela
Unter dem Jakobsweg, spanisch Camino de Santiago, versteht man eine Reihe von Pilgerwegen in Europa, die alle das vermeintliche Grab des Apostels Jakobus im nordspanischen Santiago de Compostela zum Ziel haben. Der bekannteste unter ihnen ist der Camino Francés, eine wichtige mittelalterliche Handelsroute im nördlichen Spanien, die von den Pyrenäen zum Grab des Jakobus führt.

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Um die begehrte Pilgerurkunde namens Compostela in Santiago zu erhalten, müssen Jakobspilgerinnen und -pilger auf dem Camino de Santiago entweder den gesamten Weg oder zumindest die letzten 100 Kilometer zu Fuß oder die letzten 200 Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegen. Dabei werden Stempel von verschiedenen Stationen in einem Pilgerausweis gesammelt, was zur Nutzung der preisgünstigen Pilgerherbergen berechtigt.
Die fünf Hauptrouten des Jakobswegs
Neben den folgenden fünf bekanntesten Routen des Camino de Santiago gibt es auch zahlreiche Nebenrouten und Varianten des Jakobswegs, die von den Hauptrouten abzweigen oder zu ihnen führen. Jede Route hat ihre eigenen Besonderheiten und bietet Pilgernden unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven auf dem Weg nach Santiago de Compostela.
Camino Francés
Dies ist die bekannteste und beliebteste Route des Jakobswegs. Sie beginnt in den Pyrenäen in Saint-Jean-Pied-de-Port oder Roncesvalles und führt durch Nordspanien bis nach Santiago de Compostela.
Camino del Norte
Diese Route führt entlang der nördlichen Küste Spaniens und bietet atemberaubende Küstenlandschaften. Sie startet in Irún oder San Sebastián und verläuft durch Städte wie Bilbao, Santander und Gijón, bevor sie sich mit dem Camino Francés in Arzúa vereint.
Camino Portugués
Diese Route beginnt in Lissabon oder Porto in Portugal und führt entlang der Küste und durch das Landesinnere bis nach Santiago de Compostela. Der Camino Portugués ist eine beliebte Alternative für Pilgernde, die eine abwechslungsreiche Landschaft und die portugiesische Kultur erleben möchten.
Camino Primitivo
Dieser Weg gilt als der ursprüngliche Jakobsweg. Er startet in Oviedo und verläuft durch das bergige und ländliche Asturien, bevor er in Melide auf den Camino Francés trifft. Der Camino Primitivo ist bekannt für seine natürliche Schönheit und anspruchsvolle Streckenführung.
Vía de la Plata
Diese Route beginnt in Sevilla im Süden Spaniens und führt durch das Landesinnere bis nach Astorga, wo sie auf den Camino Francés trifft. Die Via de la Plata ist eine der längsten Routen und bietet eine reiche kulturelle und historische Erfahrung.
Was suchen und finden Pilgernde auf dem Camino de Santiago?
Eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg kann für Pilgerinnen und Pilger sehr vielfältige Bedeutungen haben. Hier sind einige Aspekte, die einen „Camino“ zu einer einzigartigen Erfahrung machen:
Spiritualität, innere Einkehr und Heilung: Für viele Pilgernde ist der Jakobsweg eine spirituelle Reise. Sie suchen nach innerem Wachstum, Reflexion und spiritueller Erfahrung. Der Weg bietet die Möglichkeit, sich selbst besser kennenzulernen, zur Ruhe zu kommen und spirituelle Erkenntnisse zu gewinnen.
Persönliche Herausforderung: Der Jakobsweg ist oft mit körperlichen und mentalen Herausforderungen verbunden. Das Überwinden von Schwierigkeiten wie langen Strecken, steilen Anstiegen und Erschöpfung kann ein Gefühl der persönlichen Stärke und des Erfolgs vermitteln. Es ist eine Gelegenheit, die eigenen Grenzen zu erweitern und Hindernisse zu überwinden.
Gemeinschaft und Austausch: Der Jakobsweg ist ein Ort der Begegnung mit Menschen aus der ganzen Welt. Pilgernde haben die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zu verbinden, Erfahrungen auszutauschen, Geschichten zu hören und neue Freundschaften zu schließen. Die gemeinsame Erfahrung des Weges schafft oft eine starke Gemeinschaft und ein Gefühl der Verbundenheit.
Kulturelle und historische Entdeckungen: Der Jakobsweg führt durch verschiedene Regionen mit reicher Geschichte, Kultur und Architektur. Pilgerinnen und Pilger haben die Möglichkeit, historische Stätten, beeindruckende Kirchen, charmante Dörfer und landschaftliche Schönheit zu entdecken. Es ist eine Gelegenheit, in die Kultur und Geschichte Europas einzutauchen.
Geschichte des Camino de Santiago
Nach der arabischen Eroberung von al-Andalus im 8. Jahrhundert wurde die Überlieferung aus dem 7. Jahrhundert aufgegriffen, dass der Apostel Jakobus der Ältere in Spanien missioniert habe. Die christllichen Nachfolgereiche des Westgotenreiches suchten nach einer Identifikationsgestalt und entdeckten zwischen 818 und 834 angeblich das Grab des Jakobus. Die Könige von Asturien und später von León machten ihrn zu ihrem Schutzheiligen.
Die erste Erwähnung des Jakobsweges stammt aus dem Jahr 1047. In einer Urkunde wird die Handelsroute im Norden Spaniens als „Weg, der seit alten Zeiten von Pilgern des hl. Jakobus, Peter und Paul begangen wird“ beschrieben.
Im 11. und 12. Jahrhundert entwickelte sich aufgrund der Reconquista, der Klosterreform von Cluny und der Entstehung nordspanischer Städte entlang des Jakobswegs eine der größten Pilgertraditionen des christlichen Westens. Der Bau einer romanischen Kathedrale in Santiago begann um 1075/1078.
Im 15. Jahrhundert erlebte der Pilgerort einen weiteren Aufschwung durch besondere Gnadenjahre mit vollkommenem Ablass, und seine Bedeutung erstreckte sich bis nach Skandinavien und Ostmitteleuropa.
Nach einem Rückgang der Pilgerfahrt in der frühen Neuzeit aufgrund des Verfalls der Pilgeridee, der Reformation und des Französisch-Spanischen Krieges, gab es seit der Mitte des 17. Jahrhunderts einen erneuten Aufschwung.
Nach Napoleons Feldzug auf der Iberischen Halbinsel führte jedoch eine Säkularisierungswelle zur weitgehenden Auflösung der Infrastruktur entlang des nordspanischen Jakobsweges und wieder zu einem Rückgang der Pilgerzahlen.
Im Jahr 1879 brachte die „Wiederentdeckung“ der Gebeine des heiligen Jakobus, die aus Furcht vor einem englischen Seeangriff 1589 versteckt worden waren, eine Wende. Vor allem nachdem Papst Leo XIII. im Jahr 1884 die Echtheit der wieder aufgefundenen Reliquien anerkannt hatte.
In den späten 1920er Jahren begann der Amerikaner Walter Muir mit der Übersetzung des Liber Sancti Jacobi (Codex Calixtinus). Nach dem Spanischen Bürgerkrieg wurde dieser im Jahr 1944 veröffentlicht und der Jakobsweg als „Zone des Friedens“ wiedereröffnet. Noch vor Kriegsende beantragte Francisco Franco, Santiago erneut zum Schutzpatron Spaniens zu machen. Von da an nutzten Franco und die Nationalisten den Heiligen, um sich mit dem sogenannten „Bewahrer der spanisch-katholischen Identität“ gleichzusetzen.
Nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg fand man im Jakobsweg eine Möglichkeit, politische Differenzen zu überwinden und den Kontinent durch gemeinsame Pilgerschaft wieder zusammenzuführen.
In den 1950er und 1960er Jahren entstanden Vereinigungen der „Freunde des Jakobsweges“ in Spanien und Frankreich, während auch das wissenschaftliche und touristische Interesse an der Route weiter wuchs. Seit den späten 1970er Jahren erlebte der Jakobsweg einen enormen Aufschwung.
Im Jahr 1980 begann der spanische Priester Elías Valiña Sampedro damit, den Camino Francés in Nordspanien mit gelben Pfeilen zu markieren und ein Herbergsnetzwerk aufzubauen. Gleichzeitig wurden wissenschaftliche Kongresse und Ausstellungen abgehalten, um die europäischen Dimensionen der Pilgerreise nach Santiago de Compostela zu erforschen. Der wachsenden Popularität des Weges entsprechend beschäftigte sich auch der Europarat mit dem Thema.
Seine „Deklaration von Santiago de Compostela“ im Jahr 1987 erklärte die Jakobspilgerwege in Europa zur ersten europäischen Kulturstraße und forderte Behörden, Vereine und Einzelpersonen auf, die Wege nach Santiago im gesamten Europa zu markieren und zu identifizieren.
Die Anzahl der registrierten Pilgerinnen und Pilger aus allen Ländern der Welt stieg von damals etwa 3.000 auf jährlich mehrere hunderttausend in der Gegenwart.
Quelle: Wikipedia (CC BY-SA 4.0)